Das Motto des Fußball-Bundesligaklubs Mainz 05 lautet seit dieser Saison „Egal, unser Traum lebt“. Der Slogan dient bei den selbstironischen Werbekampagnen des Klubs als stete Antwort auf die Klischees von Langeweile oder den geringen Bekanntheitsgrad des Klubs in der großen Fußballwelt. Nach der 1:5-Heimniederlage gegen Bayer Leverkusen am Freitagabend könnte der Spruch helfen, um einen bitteren Arbeit zu verarbeiten und sich der bislang so erfreulich verlaufenen Spielzeit in der Bundesliga zu erinnern.

In einem höchst unterhaltsamen Fußballspiel vor nur 21.000 Zuschauern liefen die Rheinhessen ihrem Gegner mit dessen brillanter Offensivreihe um Julian Brandt, Karim Bellarabi, Kai Havertz und Kevin Volland immer wieder ins offene Messer, auch weil sie sich in ihrer mutigen 3-5-2-Grundordnung nach den erwünschten Balleroberungen viel zu viele einfache Fehler mit Ballbesitz erlaubten. “Wir haben uns für eine mutige Herangehensweise entschieden, aber Leverkusen hat unsere Fehler brutal effektiv ausgenutzt“, sagte Trainer Sandro Schwarz, der mit der Leistung seiner Mannschaft gar nicht mal so unzufrieden war.
Die Werkself brannte aber ein Feuerwerk ab, profitierte von den Mainzer Nachlässigkeiten in der Defensive. Alexander Hack leistete sich schon nach vier Minuten einen Aussetzer, der nach Flanke von Volland und einer Volleyabnahme Bellarabis durch Wendell zum Leverkusener Treffer führte. Die Mainzer glichen zwar umgehend nach einem Brosinski-Eckball und einer Hack-Verlängerung durch Robin Quaison aus (9. MInute), der Leverkusener Sturmlauf war dadurch aber nur kurzzeitig gebremst: Bis zur Pause erhöhten Havertz, Brandt und Bellarabi auf 4:1 und entschieden die Partie somit vorzeitig für die Leverkusener, die Wiedergutmachung betrieben für die Pokalniederlage am Dienstag beim Zweitligaklub 1. FC Heidenheim.

Dabei hatte die Partie mit gleich zwei Mainzer Ausrufezeichen begonnen: Der aus Luxemburg stammende A-Juniorenspieler Leandro Barreiro stand als Ersatz der verletzt fehlenden Danny Latza und Ridle Baku erstmals bei den Profis auf dem Feld, womit die Mainzer die Zahl der in dieser Spielzeit eingesetzten Eigengewächse auf die bemerkenswerte Zahl von sieben steigerten. Zudem gelang den Rheinhessen auch der erste erfolgsversprechende Angriff des Spiels: Aaron bediente nach kaum 60 Sekunden Jean-Philippe Mateta mustergültig, doch der französische Torjäger scheiterte an Bayer-Schlussmann Lukas Hradecky.
Tiki-Taka und Mehr: Spaß pur bei Bayer
Der erste Angriff mag die Mainzer etwas zu sehr beflügelt haben. Sie begegneten auch in der Folge ihrem Gegner mit offenem Visier, es entwickelte sich ein temporeicher Bolzplatzkick auf höchstem Niveau, der den Leverkusener Edeltechnikern sichtbar Spaß bereitete. Sie entwickelten über ihre herausragenden Einzelkönner ein Tempo, das die Mainzer Defensive um Kapitän Stefan Bell überforderte. Gelegentlich führte dies freilich auch bei der Bayer-Elf zu erstaunlichen Leichtfertigkeiten: Nach dem eigenen 3:1 pressten sie direkt nach dem Anstoß gleich mit sechs Mann so wagemutig, dass die Mainzer nach ihrer Befreiung durch sauberes Kombinationsspiel plötzlich mit einer Sech-zu-vier-Überzahlsituation vor dem gegnerischen Strafraum eigentlich den Anschlusstreffer hätten erzwingen müssen. Sie scheiterten freilich und vergaben somit die wohl letzte Chance, in dieses Spiel noch einmal zurückzufinden. Stattdessen ließ sich Brandt bei einem weiteren Konter selbst durch zwei Foulversuche durch Barreiro und Brosinski nicht in seinem Tatendrang bremsen und legte Bellarabi zu dessen Treffer zum 4:1 kurz vor dem Pausenpfiff vor. Diese Szenen waren auch Folge der Entscheidung von Trainer Peter Bosz, Brandt im Mittelfeldzentrum einzusetzen, „Julian ist ein so guter Spieler, ihm muss man möglichst viel den Ball geben“, sagte Bosz. „Er hat heute keinen Ball verloren, sehr gut gespielt.“
In der zweiten Halbzeit, in der der frühere Mainzer Kapitän Julian Baumgartlinger erstmals seit seinem Wechsel nach Leverkusen vor zweieinhalb Jahren in einem Gastspiel in Mainz zum Einsatz kam, sich dabei aber einen Nasenbeinbruch in einem ZWeikampf mit Barreiro zuzog,setzten die Leverkusener ihre Torejagd fort: Julian Brandt erhöhte in der 64. Minute auf 5:1.
Die Laune ließen sich die Mainzer Anhänger in der Hochphase der Karnevalssaison bei ihrem zum „Fastnachtsspiel“ erklärten Heimspiel, das die Mannschaft in den eigens kreierten vierfarbbunten Karo-Trikots in den Fastnachtsfarben bestritten, freilich nicht nehmen. So ertönte in der Halbzeitpause ein live im Stadion gesungener Fastnachts-Hit und die Fans auf den Tribünen lenkten sich gegen Spielende mit Klassikern wie „Heile, heile Gänsje, es wird ja wieder gut“ ab, einem Lied, das die Fastnachts-Legende Ernst Neger nach dem Zweiten Weltkrieg voller Melancholie über das zerstörte Mainz intonierte und das jedes echte Mainzer Kind nach schmerzhaften Stürzen oder Beinbrüchen von seinen Eltern vorgesungen bekommt. Auf ihre Art lebten die Fans damit auch das tröstliche Motto ihres Klubs. „Ein Kompliment an unsere Zuschauer, wie sie gutes Gespür für meine Mannschaft entwickelt haben und dadurch halfen, diesen Tag zu überstehen“, sagte der Mainzer Trainer Schwarz.